26.09.2023
Gesundheitsämter dürfen für den Schulbesuch den Nachweis einer Masernimpfung fordern und für den Fall, dass die Eltern keinen Nachweis vorlegen, auch ein Zwangsgeld androhen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in zwei Eilverfahren entschieden.
Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) müssen Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden, über ausreichenden Impfschutz gegen Masern verfügen und dies nachweisen. Hierzu zählen unter anderem Schulen.
Die Eltern dreier Berliner Schulkinder legten trotz eines entsprechenden Hinweises des Gesundheitsamtes keinen Nachweis für die Masernimpfung ihrer Kinder vor – und auch sonst keine ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer Immunität gegen Masern oder einer medizinischen Kontraindikation gegen die Impfung. Das Gesundheitsamt forderte sie deswegen auf, entsprechende Nachweise vorzulegen. Für den Fall der Nichtbefolgung ordnete es jeweils ein Zwangsgeld von 200 Euro an.
Die Eltern begehrten vorläufigen Rechtsschutz. Sie halten die Nachweispflicht, die faktisch eine Impfpflicht bedeute, für verfassungswidrig. Mit der Impfung gingen erhebliche gesundheitliche Risiken einher. Gegen den Willen ihrer Kinder könnten sie die Impfung nicht durchsetzen.
Die Eilanträge hatten keinen Erfolg. Die mit Zwangsgeldandrohung verbundenen Nachweisanforderungen seien aller Voraussicht nach rechtmäßig, so das VG. Die Bestimmungen des IfSG zur Nachweispflicht seien nicht evident verfassungswidrig, sondern im Gegenteil angesichts der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 21.07.2022 zu nicht-schulpflichtigen Kindern (1 BvR 469/20 und andere) mit einiger Wahrscheinlichkeit verfassungsgemäß.
Zwar greife die Nachweispflicht in das Elternrecht aus Artikel 6 des Grundgesetzes ein. Die Regelung sei aber verhältnismäßig, weil sie einen legitimen Zweck verfolge. Sie könne dazu beitragen, die Impfquote in der Bevölkerung zu erhöhen und damit die Ansteckungsgefahr zu reduzieren. Die Masernimpfung weise nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis eine Impfeffektivität von 95 bis 100 Prozent auf und wirke lebenslang. Sie sei auch bei schulpflichtigen Kindern nicht offenkundig unangemessen. Der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung stünden nicht evident außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs.
Das Elternrecht werde nicht als Freiheit im Sinne einer Selbstbestimmung der Eltern, sondern nur als eine solche zum Schutz des Kindes gewährt. Die Ausübung der elterlichen Gesundheitssorge habe sich daher stets am Kindeswohl zu orientieren. In der Sache seien die Aufforderungen nicht zu beanstanden.
Dies gelte auch für die Zwangsgeldandrohungen, so das VG. Insbesondere liege kein Vollstreckungshindernis darin, dass (angeblich) der Wille der Kinder entgegenstehe. Die Antragsteller hätten jeweils nicht glaubhaft gemacht, dass eine dahingehende von der notwendigen Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit getragene erzieherische Einwirkung auf ihre Kinder von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre.
Gegen die Beschlüsse kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Verwaltungsgericht Berlin, Beschlüsse vom 11. und 15.09.2023, VG 14 L 210/23 und VG 14 L 231/23